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30.07.2021

Flottweg Experteninterview mit Frau Professor Deininger zum Thema kommunale Abwasserbehandlung

Prof. Dr.-Ing. Andrea Deininger
Das heißt, natürlich ist eine gute Eindickung und Entwässerung des Klärschlammes energetisch sinnvoll und wirtschaftlich sinnvoll. Man will ja schließlich nicht Wasser durch die Gegend fahren.
Prof. Dr.-Ing. Andrea Deininger Frau Professor Deininger ist Dekanin der Fakultät für Bauingenieurwesen und Umwelttechnik der Hochschule Deggendorf. Sie ist Mitglied des Fachausschusses AK5 der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall. Außerdem blickt sie auf eine weite Praxiserfahrung im Bereich der Kläranlagenplanung zurück.

Energiebedarf

Ein häufig diskutiertes Thema ist der Energiebedarf auf Kläranlagen. Wie ist diesbezüglich aus Ihrer Sicht der aktuelle Stand in Deutschland?

Ich würde sagen, die Reinigungsleistung ist im internationalen Vergleich sehr gut. Wir haben sehr hohe Anforderungen, unser Abwasser wird bestmöglich gereinigt. Dennoch gibt es hier natürlich auch noch Optimierungspotenzial.

 

Welche Einsparpotenziale lassen sich tatsächlich realisieren?

Logischerweise ist es folgendermaßen: Dort wo am meisten Energie verbraucht wird, gibt es auch das höchste Einsparpotenzial. Aber auch in der Schlammbehandlung gibt es Energieeinsparungspotenziale.

 

In den Medien wird die Erzeugung von nutzbarer Energie aus Strom, Wärme und Wasser häufig diskutiert. Welche aktuellen Beispiele kennen Sie aus der Praxis?

Früher ging man davon aus, dass eine Kläranlage dazu eine bestimmte Größe aufweisen muss. Heutzutage gibt es zunehmend Überlegungen, auch die anaerobe Schlammbehandlung, die Faulung, für kleinere Anlagen zu installieren. Es gibt dafür Beispiele, in denen kleinere Anlagen mit Kompaktfaulungen optimiert werden. Aber auch im Bereich der Schlammtrocknung gibt es innovative Ideen mit Wärmespeicherung, Wärmegewinnung. Man kann dabei auch an Wasserstoffproduktion aus Faulgas denken. Da gibt es viele Möglichkeiten.

 

Phosphor-Rückgewinnung

Bis zum Jahr 2029 müssen die Betreiber von Kläranlagen mit mehr als 100.000 Einwohnergleichwerten die Rückgewinnung von Phosphor aus dem Klärschlamm sicherstellen. Warum ist die Rückgewinnung von Phosphor so wichtig?

Wir brauchen Phosphor vor allem als Dünger, zur Nahrungsmittelproduktion oder zur Futtermittelproduktion. Das Problem dabei ist, dass die Ressourcen bzw. die Reserven von Phosphor endlich sind. Phosphor wird folglich irgendwann nicht mehr vorhanden sein. Außerdem sind diese Phosphate zum Teil mit Schwermetallen verunreinigt. Das heißt, wir müssen uns neue Wege überlegen, Phosphor zu gewinnen. Daraus ist folgende Idee entstanden: Im Klärschlamm ist ja viel Phosphor enthalten. Diesen Phosphor müssen wir aus dem Klärschlamm recyceln.

 

Wie ist aktuell der Stand bei der Umsetzung in Bayern?

Es gibt sehr viele Verfahren auf dem Markt.. Es sind nasschemische, thermochemische Verfahren. Wir sind letztendlich noch auf einem Forschungs- und Entwicklungsstand. In Bayern gibt es, meines Wissens, keine großtechnische Anlage zum Phosphorrecycling. Es gibt ein paar Pilotanlagen, z.B. die Kläranlage in Neuburg an der Donau und es gibt in Baden-Württemberg, in Göttingen Pilotanlagen, in denen verschiedene Verfahren untersucht werden.

 

4. Reinigungsstufe

Ein immer wiederkehrendes Thema sind Spurenstoffe im Wasserkreislauf, die letztendlich nach der Abwasseraufbereitung wieder in diesen Wasserkreislauf zurückkommen. Welche Auswirkungen hat das Entfernen der Spurenstoffe langfristig?

Langfristige Auswirkungen sind folgende: Sie reichern sich in der aquatischen Umwelt an. Sie sind bioakkumulativ und persistent, das heißt, sie werden in der Natur nicht abgebaut und gelangen vom Abwasser in den Vorfluter, vom Vorfluter ins Grundwasser, vom Grundwasser ins Trinkwasser und vom Trinkwasser zum Menschen.

 

Wie wichtig ist der Aufbau einer vierten Reinigungsstufe?

Das hängt natürlich von der Kläranlagengröße ab. Es hängt außerdem von der Qualität des Vorfluters ab, also davon wie durchgängig die geologischen Verhältnisse sind und ob ein Karstgebiet vorhanden ist und ob das Wasser des Vorfluters direkt ins Grundwasser gelangt. Aber natürlich ist eine vierte Reinigungsstufe für große Kläranlagen durchaus von großer Wichtigkeit.

 

Welche unterschiedliche Verfahren gibt es in diesem Bereich? Was hat sich durchgesetzt?

Es gibt drei oder vier Verfahren. Man könnte sagen, es haben sich Mischungen aus Ozonierung und Aktivkohle durchgesetzt.

 

Schlammbehandlung

Welche Aspekte werden im Bereich der Schlammbehandlung künftig stärker in den Fokus rücken?

Wenn man bedenkt, dass in Bayern 80 % des Klärschlammes derzeit thermisch verwertet wird, geht es in erster Linie um Logistik: Der Klärschlamm gelangt auf die Straße, weil er zur Verbrennung gefahren werden muss und dabei steigen die Klärschlammentsorgungskosten - 100 € pro Tonne sind da keine Seltenheit. Das heißt, natürlich ist eine gute Eindickung und Entwässerung des Klärschlammes energetisch sinnvoll und wirtschaftlich sinnvoll. Man will ja schließlich nicht Wasser durch die Gegend fahren.

 

Welche Tipps würden Sie Kläranlagenbetreibern mit auf den Weg geben, die sich in diesem Bereich wirtschaftlicher aufstellen wollen?

Da helfen Energiechecks, Energieanalysen, durch die man sieht, wie man aktuell bezüglich der Schlammbehandlung aufgestellt ist. Man sollte sich fragen: Ist eine Schlammeindickung oder eine Schlammentwässerung vorhanden? Ist es sinnvoll eine stationäre Schlammentwässerung zu erstellen? Geht man eventuell einen Verbund mit anderen Kommunen ein? Ist eventuell eine mobile Schlammentwässerung, die nur alle paar Monate kommt, am sinnvollsten? Da gibt es sicher viele Punkte auch in Hinblick auf Schlammentwässerung und Schlammeindickung, die man sich überlegen oder untersuchen muss.

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